16. Januar 2017

An der Weltspitze der Cellisten – Zum Tod von Heinrich Schiff am 23. Dezember 2016


Als ich meinen Freund und Studienkollegen Heinrich Schiff einen Tag vor seinem letzten Krankenhausaufenthalt besuchte, um ihm zu seinem 65. Geburtstag den Kommentar seines Urgroßvaters Riemann zu den Beethoven-Klaviersonaten zu übergeben, ahnte ich nicht, dass dies das letzte längere Gespräch sein sollte.

Heinrich Schiff wurde am 18. November 1951 in Gmunden als Sohn einer Musikerfamilie geboren, lernte Cello zunächst bei seinem Vater, dann an der Wiener Musikakademie (heute Musikuniversität) bei Tobias Kühne und Andre Navarra, und besuchte das Wiener Musikgymnasium (damals noch in der Wasagasse), wo er auch 1972 maturierte, – großzügig gefördert vom Gründer des Musikgymnasiums Direktor Dr. Hans Zwölfer und vom Musikprofessor Mag. Friedrich Lessky, die ihm jegliche Freiheiten für seine bereits damals beginnende Karriere boten.

Der Durchbruch und Aufstieg gelang ihm 1972, als er für den wegen Ausreiseverbot verhinderten russischen Cellisten Mstislaw Rostropowitsch mit dem Cellokonzert von Witold Lutoslawski einspringen konnte, und ihm dadurch der Weg zu zahlreichen zeitgenössischen Cello-Uraufführungen geebnet war: Hans Werner Henze, Wolfgang Rihm, Otto M. Zykan und insbesondere Friedrich Gulda, mit dem er übrigens auch Beethoven-Sonaten spielte.

Seine Musikalität, der prachtvolle, unerreicht variantenreiche und kräftige Ton, den er auf seinen beiden Meistercelli hervorbrachte, und seine akribische Lust an der Findung zur Wahrheit und Richtigkeit  der Wiedergabe der Musik führten dazu, dass er von einigen Schriftstellern und Cellisten, wie z. B.  Siegfried Palm, als einer der besten Solisten des 20. Jahrhunderts auf dem Violoncello bezeichnet wurde. Neben der  Vorliebe zum klassischen und romantischen  Repertoire gelang es ihm, für seine (2) Einspielungen der 6 Bach-Solosuiten den Grand Prix du Disque zu erhalten. Er spielte praktisch das gesamte Cellowerk auf Tonträgern ein.

Das Dirigieren war ihm seit ca. 1990 ein Anliegen, wobei er am Pult namhafter  Orchester stand: Los Angeles Philharmonic, Dresdner Staatskapelle,  Bruckner Orchester Linz, Copenhagen Philharmonic Orchestra, Wiener Kammerorchester u. a.

Nicht zu vergessen  ist sein Einsatz für begabte, junge Musiker und seine bis zuletzt andauernde Tätigkeit als  unermüdlicher Professor an der Wiener Musikuniversität.

Heinrich Schiff gehört wohl zu den prominentesten Absolventen des Wiener Musikgymnasiums.

Wir verlieren einen eindrucksvollen Musiker und Cellisten, sowie einen großzügigen Menschen gegenüber seinen Freunden und Schülern.

Dr. Bernhard Gittler